TriCon 2022: High Level Panel
Unter der Moderation der Politologin Prof. Dr. Astrid Lorenz und des Juristen Prof. Dr. Mattias Wendel, beide Universität Leipzig diskutierten die Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg, Joachim Herrmann, Mitglied des Kabinetts des EU-Justizkommissars, Prof. Dr. Wojciech Piątek, Universität Poznań und JUDr. Ing. Jiří Zemánek, CSc., Richter am Tschechischen Verfassungsgericht.
Einig waren sich die Teilnehmenden darin: Die Europäische Union befindet sich in einer Rechtsstaatskrise. Und sie ist stark genug, diese Krise zu bewältigen. "Die Entwicklung der EU von einer Wirtschaftsunion hin zu einer Rechtsgemeinschaft – das ist das, was wir festhalten müssen", betonte Bettina Limperg und lobte diese "grandiose Leistung der Menschlichkeit". Die EU müsse nun lernen, zu einer Einheit der Vielfalt zurückzufinden.
Die Diskutierenden betonten die Bedeutung des Dialogs – untereinander und mit den Bürgerinnen und Bürgern. Transparenz schaffe Vertrauen und Vertrauen führe zu Begreifen von Entscheidungen und Normen, sagte Prof. Dr. Wojciech Piątek. Es sei wichtig, sich gegenseitig wahrzunehmen und auch die Argumente der anderen anzuhören. Er mahnte Respekt gegenüber Andersdenkenden an. "Das ist kein einfacher Weg", sagte Piątek. "Derzeit sprechen viele und wenige hören zu." Der Rechtsstaat sei ein Paket von Rechten und Pflichten für jede einzelne Person.
Auch Joachim Herrmann sah einen "Fortschritt durch Krise". Es seien Prozesse in Gang gekommen, die die EU voranbringen, sagte er. Darüber sei ein neues Bewusstsein entstanden, starke reflexive Prozesse über den Rechtsstaat, über die Rolle der EU und über die der einzelnen Staaten innerhalb der EU. Herrmann betonte insbesondere die Rolle der Regionen: Diese könnten Impulse setzen "weit über die eigenen Grenzen hinaus".
Auch Prof. Dr. Wojciech Piątek legte großen Wert darauf, sich nicht allein auf die Krisen zu konzentrieren, denn "die werden wir lösen". Vielmehr solle die Gesellschaft ihren Fokus legen auf die Aufarbeitung der Corona-Pandemie und die Prägung einer neuen Rechtsstaatskultur, die auch neue Technologien einbezieht. Bürgerinnen und Bürger müssten stärker einbezogen werden, so Piątek.
Darin waren sich die Teilnehmenden auf dem Podium einig: Die Akzeptanz des europäischen Rechtsstaats hängt ab von dessen Transparenz. Egal, wie komplex das Thema, die Menschen in Europa müssen verstehen können, weshalb Entscheidungen getroffen werden, wie der Weg dorthin war und was die Regelungen konkret bedeuten. Bettina Limperg verglich die derzeitige Krise mit einer "Operation am offenen Herzen". Doch das Herz schlage noch. "Es wäre eine justizielle, kulturelle und wirtschaftliche Katastrophe, wenn wir den Rechtsstaat bankrott erklären müssten", sagte sie. Diese Katastrophe ließe sich nur vermeiden, "wenn wir uns weiterhin mit den Themen beschäftigen und den Weg des gemeinsamen Redens und Zuhörens gehen".
Die Trinationale Rechtsstaatskonferenz und mit ihr der Dialog zwischen Praxis und Forschung sei der beste Startpunkt für nachhaltige Kontakte in Zukunft.